Es gibt ja so einiges, über das man sich in Stuttgart aufregen kann. Die endlosen Staus, die schlechte Luft, die teuren Mieten oder wenn der Nachbar mal wieder die Kehrwoche nicht macht. Manches kann man auf die Schnelle nicht ändern, da bringt alles Gemeckere bekanntlich nichts. Aber dann gibt es auch immer wieder Situationen, da hört der Spaß einfach auf. Ich bin in solch eine geraten, als ich letztens im Kessel auf einem kleinen kuscheligen Konzert war. Und muss jetzt einfach mal meckern!
Freitagabend, im Café um die Ecke findet wieder ein Live-Konzert statt. Wie immer ist der Eintritt dazu frei, im Laufe des Abends geht das Spendenglas für die Künstler durch die Reihen. Die Stimmung ist super, Bier und Weinschorle auch, die Gespräche ausgelassen. Irgendwann wird das Licht gedämmt, die Band betritt die Bühne – Showtime – und die Leute im Publikum reden und reden und reden. Bereits beim ersten Song muss die Band mit ihrer Sängerin gegen die Geräuschkulisse im Laden anspielen und ansingen. Spoiler: Das wird sich auch im Laufe des Abends nicht mehr ändern.
Ich schaue mich ungläubig um. Mein Blick: eine Mischung aus Wut und Verwunderung. Was isch hier loooooos? Neben mir steht ein Typ mit seinem Date und erzählt von seinem letzten Urlaub. Ah, auf Bali war er also. Ein paar Meter weiter steht eine Gruppe junger Leute im Kreis, den Rücken teils zur Bühne gewandt und lacht sich über irgendetwas lauthals tot. Das alles, während auf der Bühne von Herzschmerz gesungen wird. Schmerzen habe ich in diesem Moment auch – dank der Menschen um mich herum. Ist das euer scheiß Ernst?
Warum man generell auf ein Konzert geht, wenn man anscheinend gar keinen Bock hat, dem Künstler auf der Bühne zuzuhören, ist mir ein Rätsel. „Ich rede so viel ich will“, lautet die recht aggressive Antwort des Bali-Typens auf eine Ermahnung, bitte leiser zu sein. Und auch sonst werden vereinzelte „Psssst“-Rufe im Publikum komplett ignoriert. Ich rede so viel ich will! Das ist nicht nur ziemlich egoistisch – bei einem Konzert ist das sogar ziemlich respektlos. Und ja, ich war schon bei vielen Konzerten in Stuttgart, es ist immer wieder das Gleiche. Eine Geräuschkulisse aus schwätzenden Schwaben, die man so einfach nicht ignorieren kann. Klar, in der Schleyer-Halle ist das vielleicht noch eher möglich, aber bei einem kleinen Club-Konzert? Niemals.
Eigentlich gibt es hier nur zwei Optionen – entweder man geht auf ein Konzert und hört zu (UND SINGT MIT) oder man trifft sich mit seinen Freunden bzw. Dates einfach woanders. Ganz easy. Schließlich gibt’s in Stuttgart genug Bars und Locations, in denen man sich unterhalten kann. Dort kann man sich anschreien und brüllen vor lachen – niemanden stört das. Ein Konzert in einem Café oder kleinem Club ist dafür aber definitiv die falsche Adresse. Und wer für anderthalb Stunden nicht einfach mal die Klappe halten kann, der soll doch bitte einfach wegbleiben. Das wäre für alle angenehmer – für die Künstler on stage und für diejenigen im Publikum, die tatsächlich wegen der Musik da sind. Danke!
Mojo
Photo: Jonathan Borba (Unsplash)